Texts

 

AUSSCHNITTE AUS ARTIKELN, TEXTEN UND REDEN ÜBER RABE

english version below


Ungeachtet aller Vorstellungen frei  

von Branka Ito, Biel
Expertin für zerfallende Wirklichkeiten

 

Seit geraumer Zeit steht er einfach still, hier, in völliger Hingabe an die Wahrnehmung dessen, was ist. Vor ihm türmen sich mächtige Kalkschichten auf, von Spalten und Klüften durchsetzt, schön ausgebildet. Gewaltig tost der Fluss durch die enge Schlucht. Der Maler ist sprachlos ob der schöpferischen Natur.
Rabe ist so total! Er macht keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Dingen. Alle Veränderungen, Bilder, Geräusche, Gerüche, Empfindungen, Gedanken, Informationen, Ereignisse, Geburt und Tode gehen durch die allgegenwärtige Stille hindurch, die hier und jetzt im Herzen seines Wesens ist.

Rabe schaut ohne Filter des Verstandes, schaut aus dem Urgrund seine Spiegelung in unserer Welt. Wenn er mit solcher Selbstvergessenheit wahrnimmt, wie ich ihn auf dieser Wanderung durch die Schlucht beobachten konnte, dann erscheint seine wahrhaftige Künstlerseele, die vollkommen eins ist mit dem gegenwärtigen Moment. Die Seele erscheint deutlich, wenn der Künstler in seiner Kunst aufgeht – er ist nicht mehr getrennt von ihr - auch nicht, wenn sie erst schemenhaft, als Ahnung eines sich verwirklichenden Kunstwerkes auftaucht.

Er ist sich dessen bewusst: Eine ursprüngliche Kraft schafft durch ihn. Er weiß, dass jeder Pinselstrich von ihr gelenkt wird – diese Erfahrung haben alle wirklich großen Künstler zu allen Zeiten gemacht: das Gefühl, gelebt zu werden von einem alles umfassenden Wesen, das durch ihn hindurch wirkt. Es hat von ihm Besitz ergriffen, von seinen Händen, von seinem Wesen. Es durchdringt seine Wahrnehmung mit einer Klarheit, die für den unerwachten Menschen unvorstellbar ist.
Je größer der Künstler, desto klarer ist dieses Gefühl. Es ist dasjenige, welches seine Kunst letztendlich auch für den Betrachter beseelt und ihn teilhaben lässt an dem zeitlosen Augenblick der Erkenntnis, dass das Bewusstsein ungeachtet aller Vorstellung frei ist.

 

Luxemburger Wort 25.4.2003

...Eines seiner bemerkenswertesten Bilder, "Das Mädchen mit dem Tizian-Schimmer" (offiziell "Stadtdrandszene", 1999), auch auf dem Einband eines Kunstbuches, von der Galerie der Bayerischen Landesbank München, 2001 herausgegeben, erfüllt all jene Voraussetzungen, Rabes Namen in die großen Museen Einlass finden zu lassen.

 

Rheinischer Merkur 13/2003

...Und tatsächlich lernte Rabe während seines ersten Italienaufenthaltes bei den Meistern des Freskos: Die frühe Renaissance, wie sie von Giotto verkörpert wird, vermittelte ihm das Gefühl für Klarheit und Konzentration.…Ein Hauch von Melancholie dämpft die Poesie des Alltäglichen, hinter dem sich das Geheimnis des Daseins verbirgt.

 

Süddeutsche Zeitung, SZ-Extra, 13.9.2001

...Unspektakulär diese Motive, traditionsbewusst der Stil, und doch ist etwas an diesen Bildern, das den Betrachter festhält. Ihr besonderer Blickwinkel und der eigenwillige Einsatz des Lichts verleihen Ihnen eine über den Moment hinausweisende, fast surreale Dimension.

 

Rede zur Eröffnung 1998

von Horst Siebecke, ARD, München

...Mehr noch vermag Rabes Sensibilität dem scheinbar alltäglichsten Gegenstand eine ungeahnte Bedeutung zu geben. Eine Malerei der es eigen ist, um subjektive Elemente herum Wahrnehmungen von objektiver Tendenz zu gruppieren. Eine gedämpfte Stille geht von dieser Welt aus, in der eine Art melancholischer Zauber alle Wirklichkeit überhöht.

Solche Wahrnehmungen sind revolutionär in dem Sinne, dass sie in der realen Außenwelt ein Wesentliches, ein Etwas postulieren. Den verborgenen Sinn der Dinge.

Was einen - von der devastierten Nur-Gegend bis zum Porträt fragend und fordernd zugleich anblickt, sind Schöpfungen von seltsamer Beseeltheit und Intelligenz.

 

Rede zur Eröffnung 1994

von Oliver Simon, Rom, Galleria Eliseo

...Das kann eine Art Leitfaden in Rabes Arbeit sein: der Wille, ein höheres Ganzes zu erkennen und dies in Bildern sichtbar zu machen. Dieses Ganze spiegelt sich in allen Elementen wieder, im malerischen Element , im Leben der Personen, und in der Vereinigung dieser Bereiche. Und vielleicht ist es genau das, was diesen Gemälden den Eindruck von Homogenität, Gleichgewicht und Vollständigkeit gibt.

Und darin besteht die „antica novità", die alte Neuheit die Malerei zu verstehen, aber in Konsequenz auch das Leben.

 

Katalog "Rabe Gemälde · Dipinti" 1998

von Theodor Wieser, NZZ, Zürich

...Eine zentrale Rolle spielt in Rabes Bildern das Licht. Es dient der Beleuchtung, vor allem aber erleuchtet die helle Fläche als Eigenlicht die Szene - Transfiguration, Verklärung im Licht, die man in Richtung einer diskreten Lichtmystik deuten mag; schließlich ist Rabe mit unserer abendländischen Überlieferung vertraut.

Leuchtende Verwirrung

von Rabe, Berlin, 2016

Wer kann erklären, was wirklich passiert, wenn Leben in malerischer Form auftreten will? Wenn das Unbekannte durchbricht und sich überraschend zur Bildgestalt organisiert,um schließlich ein Ganzes zu werden oder abzustürzen. Wenn die Macht fließender Farben die Szene beherrscht, Grün zu Rot zu Rosa zu Grün, wenn eine stumme, eingeschlossene Fläche nach einer leuchtenden Verwirrung verlangt, die sich zusehends zur plastischen Linie einer weibliche Brust verwandelt. Wenn Sichtbares und Unsichtbares nicht mehr zu unterscheiden sind.

Hier spielt das gesamte malerische Potential in immer neuer Abmischung: vom Werkzeug der Bildtradition bis hin zu Ausdrucksformen, die man sich nie ausdenken könnte.

Im Hineinsinken ins klare, helle Meer der Energie und ihrer sich steigernden Bewegungen fragt keiner mehr: Was, Wie, Warum? Diese Malerei geschieht nicht im Beharren auf einer Ich-Idee. Sondern aus der Quelle.

 



 

EXCERPTS FROM ARTICLES, TEXTS AND TALKS ABOUT RABE


Free regardless of all ideas 

by Branka Ito, Biel

Expert for disintegrating realities

 

For some time now, he has simply stood still, here, in complete surrender to the perception of what is. Mighty limestone layers pile up in front of it, interspersed with crevices and fissures, beautifully formed. The river roars violently through the narrow gorge. The painter is speechless because of the creative nature.

Rabe is so total! He makes no distinction between small and large things. All changes, images, sounds, smells, sensations, thoughts, information, events, births and deaths pass through the omnipresent silence that is here and now in the heart of his being.

Rabe looks without the filter of the mind, looks from the primordial ground its reflection in our world. When he perceives with such self-forgetfulness as I have been able to observe him on this hike through the gorge, his true artist soul appears, completely at one with the present moment. The soul appears clearly when the artist is absorbed in his art - he is no longer separate from it - not even when it appears only dimly, as an inkling of a work of art coming to fruition.

He is aware of it: an original force creates through him. He knows that every brushstroke is guided by it - this experience has been made by all truly great artists at all times: the feeling of being lived by an all-encompassing being that works through him. It has taken possession of him, of his hands, of his being. It permeates his perception with a clarity unimaginable to the unawakened man.

The greater the artist, the clearer is this feeling. It is the one that ultimately animates his art for the viewer as well and lets him participate in the timeless moment of the realization that consciousness is free regardless of all imagination.

 

 

Luxemburger Wort 25.4.2003

...One of his most remarkable paintings, "The Girl with the Titian Shimmer" (officially "Stadtdrandszene", 1999), also on the cover of an art book, published by the Gallery of the Bayerische Landesbank Munich, 2001, fulfils all those prerequisites to let Rabe's name entry into the great museums.

 

 

Rheinischer Merkur 13/2003

...And indeed, during his first stay in Italy, Rabe learned from the masters of fresco: the early Renaissance, as embodied by Giotto, gave him a sense of clarity and concentration....a touch of melancholy dampens the poetry of the everyday, behind which hides the mystery of existence.

 

 

Süddeutsche Zeitung, SZ-Extra, 13.9.2001

...Unspectacular these motifs, tradition-conscious the style, and yet there is something about these pictures that holds the viewer. Their particular point of view and the idiosyncratic use of light give them an almost surreal dimension that transcends the moment.

 

 

Speech at the opening 1998

by Horst Siebecke, ARD, Munich

...Rabe's sensitivity is even more capable of giving the seemingly most everyday object an unsuspected meaning. A painting that is capable of grouping perceptions of objective tendency around subjective elements. A subdued silence emanates from this world, in which a kind of melancholic magic superelevates all reality.

Such perceptions are revolutionary in the sense that they postulate an essential, a something in the real outside world. The hidden meaning of things.

What looks at you - from the devastated only-area to the portrait, questioning and demanding at the same time - are creations of strange soulfulness and intelligence.

 

Speech at the opening 1994

by Oliver Simon, Rome, Galleria Eliseo

...This can be a kind of guiding principle in Rabe's work: the will to recognise a higher whole and to make this visible in pictures. This whole is reflected in all elements, in the painterly element , in the life of the persons, and in the unification of these areas. And perhaps it is precisely this that gives these paintings the impression of homogeneity, balance and completeness.

And therein lies the "antica novità", the ancient novelty of understanding painting, but in consequence also life.

 

 

Catalogue "Rabe Paintings - Dipinti" 1998

by Theodor Wieser, NZZ, Zurich

...Light plays a central role in Rabe's paintings. It serves to illuminate, but above all the bright surface illuminates the scene as its own light - transfiguration, transfiguration in light, which one might interpret in the direction of a discrete mysticism of light; after all, Rabe is familiar with our occidental tradition.

 

 

Luminous confusion

by Rabe, Berlin, 2016

Who can explain what really happens when life wants to appear in painterly form? When the unknown breaks through and surprisingly organises itself into a pictorial form, finally becoming a whole or crashing down. When the power of flowing colours dominates the scene, green to red to pink to green, when a mute, enclosed surface demands a luminous confusion that visibly transforms into the plastic line of a female breast. When the visible and the invisible can no longer be distinguished.

Here the entire painterly potential plays out in ever new mixtures: from the tools of pictorial tradition to forms of expression that could never be imagined.

Sinking into the clear, bright ocean of energy and its increasing movements, no one asks any more: what, how, why? This painting is not done by insisting on an ego idea. But from the source.